Einleitung/Hintergrund zur Lesung am 7.11.03 zum Thema "Kindersoldaten"

von Christina Peters

"Ich musste töten..." Das Thema "Kindersoldaten" steht derzeit im Mittelpunkt der Arbeit unserer amnesty- Gruppe. Ich möchte Ihnen kurz einige Hintergrundinformationen zu diesem Thema geben, bevor Nassrin Sadeghi und Thomas Kaiser aus dem Buch einer ehemaligen ugandischen Kindersoldatin lesen werden. In 3 Abschnitten berichtet China Keitesi von ihrer Rekrutierung, ihrem Soldatenleben und ihrer Flucht. Der Chor "Die Stimme Afrika's" unter der Leitung von Narzisse Ngale wird zwischen den einzeilnen Blöcken Lieder aus Afrika singen, sodass wir über das Gehörte nachdenken können. Wir danken den Mitwirkenden ganz herzlich. Wie Sie bemerkt haben, ist der Eintritt frei; wir lassen aber am Ende der Veranstaltung eine Büchse herumgehen und wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Arbeit von ai und die Musikgruppe großzügig unterstützen würden.

In der Pause können Sie Sich über unsere Aktivitäten informieren und mit einer Postkartenaktion die Forderungen von amnesty unterstützen oder Sie wenden sich an den Chor, wenn Sie sich für die Musik interessieren.

Kindersoldaten werden in vielen Krisengebieten rekrutiert, in der DR Kongo gibt es gegenwärtig wohl die weltweit höchste Anzahl von Kindersoldaten. Die verschiedenen bewaffneten Gruppen werden z. T. von Ruanda und Uganda unterstützt, sodass wir auf diese 3 Länder unseren Schwerpunkt legen.

Im Juli diesen Jahres recherchierte eine ai-Delegation in verschiedenen Regionen des Kongo und Uganda's vor allem auch zur Situation von Kindersoldaten. Selbstverständlich ist der Einsatz von Kindersoldaten nur eine der vielen Menschenrechtsverletzungen in dem Krieg, der im Kongo seit 1998 wütet und über 3 Mio Menschen, vor allem Zivilisten das Leben gekostet hat.

Deshalb ist die Forderung nach einem Ende des Einsatzes von Kindersoldaten Teil der Forderung nach einer Lösung für die Krise im Osten der DR Kongo insgesamt. Der Reichtum des Landes besteht in den Bodenschätzen wie Gold, Diamanten, Tropenhölzer und Koltan, das z. B. für die Produktion von Handy's benötigt wird. Die verschiedenen bewaffneten Guppen versuchen die Kontrolle über diese Einnahmequellen zu gewinnen. Zwar gibt es seit Juli 03 ein formales Waffenembargo durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, trotzdem werden große Mengen von Waffen weiter unkontrolliert ins Land gebracht.

Ebenfalls seit Juli ist eine neue Übergangsregierung in Kinshasa unter dem alten und neuen Präsidenten Kabila im Amt. Die Regierung setzt sich zusammen aus Vertretern der früheren kongolesischen Regierung, den wichtigsten bewaffneten Gruppen, die früher gegen die Regierung gekämpft haben, der unbewaffneten politischen Opposition sowie aus Vertretern der Zivilgesellschaft. Freie Wahlen sollen in den kommenden 2 Jahren stattfinden.

Aber die neue Regierung hat das komplizierte Geflecht von Kontrolle und territorialer Aufteilung zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen nicht verändert. Grundlegende Feindschaften und Misstrauen bestehen weiter zwischen den Parteien, die in dieser Regierung vertreten sind. Kaum zu lösen sind die Fragen z. B. der Kontrolle über die Armee, wie die neue Regierung Versöhnung und Gerechtigkeit für MRV schaffen will, die begangen wurden von Gruppen, die nun selbst an der Regierung beteiligt sind.

Kindersoldaten haben im Konflikt im Osten Kongos, eine hohe Bedeutung, da sie in hohem Maße zur Stärke der bewaffneten Gruppen und Milizen beitragen.

Die Demobilisierung von Kindersoldaten ist in der Übergangsverfassung festgelegt. Dennoch werden immer noch Kinder als Soldaten rekrutiert oder nach ihrer Demobilisierung "Re-rekrutiert". Viele geflohene Kindersoldaten halten sich deshalb versteckt. Demobilisierte Kinder wurden von der Regierung oft in großer Not und ohne Unterstützung für den neuen Lebensbeginn allein gelassen. Vielfach ist die Rückkehr von Kindern in ihre Familien nicht möglich und die Wirtschaft sowie das Bildungs- und Ausbildungssystem sind durch den 5jährigen Krieg stark zerstört, sodass Schul- und Arbeitsplätze kaum zu finden sind. Deshalb leben viele entwaffnete Kinder in Durchgangs- und Orientierungslagern, die oft von bewaffneten Gruppen geführt werden die weiterhin ein militärisches Training durchführen. Spezielle MONUC-Berater zum Schutz von Kindern (MONUC ist eine Mission der Vereinten Nationen) erhalten oft keinen Zugang, lokale MRAktivisten, die Fälle von Kindersoldaten verfolgen wollen, werden teilweise von Behörden bedroht.

Kinder sind in dieser Situation in erster Linie Opfer, aber viele haben auch als Soldaten schwere MRV begangen. Oft wurden sie brutal behandelt und mit dem Tode bedroht, wenn sie die Befehle zum Ausüben von Grausamkeiten nicht befolgen würden. Ai sieht die erwachsenen militärischen Befehlsgeber als die eigentlich Verantwortlichen an. Wenn ein strafmündiges Kind schwere MRV verübt hat, soll dies nach Auffassung von ai dennoch untersucht werden und das Verfahren soll nach fairen internationalen Richtlinien geführt werden.

Die Zielrichtung unserer Kampagne ist der direkte Druck auf die neue kongolesische Regierung und die bewaffneten Gruppen, damit sie den Einsatz von Kindersoldaten beenden.

Der 2. Fokus liegt auf den Regierungen von Ruanda und Uganda: Sie sollen ihre militärische Unterstützung für bewaffnete Gruppen einstellen und ihren Einfluss nutzen, um die Demobilisierung von Kindersoldaten voranzutreiben.

Die konkreten Forderungen, die die Generalsekretärin von amnesty, Irene Khan im Rahmen einer "High level mission" im Oktober bei den Regierungen der betroffenen Staaten vorgebracht hat, können Sie am Infotisch einsehen.

Lassen Sie nun China Keitesi berichten: "Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr"